Dr. Harald Gapski

Grimme-Institut, Marl

Harald Gapski

Inmitten „algorithmischer Sozialmaschinen“: Modell und Metapher für die kritische Medienbildung?

Die Datafizierung des Alltags und der Einsatz von Algorithmen in sozialen Entscheidungsprozessen prägen zunehmend Lebenswelt und Gesellschaft. Kritische Lern- und Bildungsangebote über die damit in Verbindung stehenden gesellschaftlichen Veränderungen leisten einen Beitrag zur „Digitalen Aufklärung“ und Selbstbestimmung.
Das Vorhaben will in diesem Zusammenhang das Konzept und die Metapher von der „algorithmischen Sozialmaschine“ aufgreifen und für die kritische Medienbildungspraxis entwickeln. Als ein erklärendes Modell fließen in diesem Begriffskonzept anwendungsorientierte Erfahrungen der Web Science sowie Ergebnisse der Critical Data Studies und der Science and Technology Studies zusammen.
Als Metapher eröffnet die „Sozialmaschine“ vielfältige Projektions- und Reflexionsflächen, um Phänomene und Prozesse der Datafizierung zu hinterfragen. Wird dieses metaphorische Konzept dekonstruiert, so stellen sich normativ-ethische Fragen nach dem zugrundeliegenden Menschenbild und nach der Vorstellung der sozialen Welt als Maschine.
Im Ergebnis liefert ein konzeptionelles Essay mit Visualisierungen Einblicke in den ‚Maschinenraum‘, in dem ein ‚Generator‘ Fragen für die kritische Medienbildungspraxis erzeugt.

Forschungsresultate

Nach Recherchen und konzeptionellen Verdichtungen konnte ein medienpädagogisch verwertbares Konzept einer algorithmischen Sozialmaschine entworfen werden, das individuelle und soziale Datafizierungsprozesse anschaulich verzahnt und modellhaft abbildet. Erste Entwürfe zur Visualisierung des Konzepts wurden im Rahmen eines Workshops im CAIS (März 2023) mit Bildungspraktiker:innen und -wissenschaftler:innen diskutiert. Hierdurch konnten Verbesserungsvorschläge aufgenommen und mögliche Testfelder in der Erwachsenenbildung eröffnet werden. In Vorträgen und Präsentationen, etwa an der Universität zu Köln (Nov. 2022), VHS Hessen (Feb. 2023) sowie im Rahmen des Critical Big Data Literacy Netzwerks (bigdataliteracy.net, Oct. 2022) wurde ebenfalls das Konzept, seine kritische Metaphorik und bildungspraktische Anwendungspotentiale diskutiert. In Form eines Aufsatzes liegt die Beschreibung der Konzeptidee in einem Sonderheft „Digitalisierung und Politikunterricht“ für die Bildungspraxis vor (Juli 2023).

Auf dem Global Media Forum 2023 in Bonn diente das metaphorische Maschinenkonzept als Einleitung für eine Session zu aktuellen Ergebnissen in der digitalen Journalismusforschung. Präsentiert wird das Konzept der Algorithmischen Sozialmaschine auf der gemeinsamen Jahrestagung der Fachgruppen Medienpädagogik und Visuelle Kommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK, München, Okt. 2023).

Forschungsschwerpunkte

  • Digitale Kompetenzen
  • Theorien der Medienbildung
  • Big Data
  • Scoring

Lebenslauf

  • Leitung Forschung am Grimme-Institut, Mitarbeit in Projekten des Grimme-Forschungskollegs an der Universität zu Köln
  • Leitung Projektentwicklung, Prokurist ecmc Europäisches Zentrum für Medienkompetenz gGmbH (1997-2010)
  • Studium der Kommunikationswissenschaft, Philosophie an der Universität Essen (M.A. 1993) und Fulbright-Stipendiat an der New School, NYC (M.A., USA, 1995)

Vorträge und Veröffentlichungen

Gapski, H. (2022, 22. Nov.). „Vom Leben in der ‚datengetriebenen, algorithmischen Sozialmaschine‘ und von den Folgen für die kritische Medienbildung“. Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „Medien & Bildung“ an der Universität zu Köln

Gapski, H. (2022). Diskussionsfelder der Medienpädagogik: Datafizierte Lebenswelten und Datenschutz. In Sander, U., von Gross, F., Hugger, KU. (Hrsg.) Handbuch Medienpädagogik. Springer VS, Wiesbaden. DOI: 10.1007/978-3-658-23578-9_82

Gapski, H. (2021): Künstliche Intelligenz (KI) und kritische Medienbildung. Expertise für das Projekt „Digitales Deutschland“.

Gapski, H.; Packard, S. (Hrsg.).(2021). Super-Scoring? Datengetriebene Sozialtechnologien als neue Bildungsherausforderung. München: kopaed. Volltext (open access). DOI: 10.25656/01:22048.

Gapski, H. (2019): Mehr als Digitalkompetenz. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. 69. Jg, 27-28, S. 24-29. Volltext (open access).

Gapski, H.; Tekster, T.; Elias, M. (2018). Bildung für und über Big Data. Gutachten im Rahmen von ABIDA – Assessing Big Data. Marl: Grimme-Institut. Volltext (open access). DOI: 10.25656/01:17187.

Gapski, H. (2018): Big Data und Soziale Arbeit. Kontexte, Beispiele und Perspektiven aus einer kommunikationswissenschaftlichen Sicht. In: Hammerschmidt, Sagebiel, Hill & Beranek (Hrsg.): Big Data, Facebook, Twitter & Co. und Soziale Arbeit. Weinheim, Basel: Juventa. S. 75-94.

Gapski, H.; Oberle, M & Staufer, W. (Hrsg.). (2017). Medienkompetenz. Herausforderung für Politik, politische Bildung und Medienbildung. bpb Schriftenreihe Bd. 10111. Bonn. Volltext (open access).

Gapski, H. (2017): 1.0, 2.0, 3.0 und 4.0 – und was zählt die Medienbildung? In: S. Eder; C. Mikat; A. Tillmann (Hrsg.): Software takes command. Herausforderungen der „Datafizierung“ für die Medienpädagogik in Theorie und Praxis. Schriftenreihe Schriften zur Medienpädagogik, Band 53. München: kopaed. S. 35-48.

Gapski, H. (2015)(Hrsg.): Big Data und Medienbildung. Zwischen Kontrollverlust, Selbstverteidigung und Souveränität in der digitalen Welt. (=Schriftenreihe zur Digitalen Gesellschaft NRW, Band 3). München/Düsseldorf: kopaed. Volltext (open access) DOI: 10.25656/01:11634.

Dr. Harald Gapski

Grimme-Institut, Marl

Fellow at CAIS from October 2022 to March 2023